22.09.2015 | Bau- und Immobilienrecht
Mindestsatzunterschreitung kann nicht wirksam vereinbart werden
Die HOAI regelt u. a. Mindestsätze für die Honorierung der Leistungen von Architekten und Ingenieuren. Zu den Kernregelungen des Gesetzes gehört dabei, dass diese Mindestsätze nur in Ausnahmefällen unterschritten werden dürfen. Ohne einen solchen Ausnahmefall ist die Vereinbarung eines Honorars unterhalb der Mindestsätze unwirksam. Das hat in aller Regel zur Folge, dass der Architekt oder Ingenieur trotz der anderslautenden Vereinbarung das nach den Mindestsätzen vereinbarte Honorar abrechnen kann.
Verzicht auf das Differenzhonorar
Im Grundsatz sind alle Vereinbarungen der Parteien, die zu einer Unterschreitung der Mindestsätze führen, unwirksam, soweit diese vor oder während der Abwicklung des Architektenvertrages getroffen werden. Das sieht aber nach Abschluss der beauftragten Leistungen anders aus. Denn wenn alle Leistungen erbracht sind, kann eine Unterschreitung der Mindestsätze weder zu einem ruinösen Preiskampf führen, noch zu einer qualitativ minderwertigen Leistung aufgrund nicht ausreichenden Honorars. Das sind aber die Auswirkungen, welche durch die Mindestsatzregelung der HOAI verhindert werden sollen. Ein Verzicht auf das Differenzhonorar – also das Mehrhonorar, das sich aus einem Vergleich zwischen dem nach den Mindestsätzen berechneten und dem vereinbarten Honorar ergibt – ist daher nach Abschluss der beauftragten Leistungen möglich (vgl. BGH, Urteil vom 21.06.2001 - VII ZR 435/99).
Verzicht muss eindeutig erklärt sein
Allerdings sind an die Annahme, dass ein solcher Verzicht vorliegt, hohe Anforderungen zu stellen. So reicht z. B. ohne Hinzutreten weiterer, besonderer Umstände eine auf Grundlage der vereinbarten Honorare erstellte Schlussrechnung nicht aus. Vielmehr muss sich bei Abwägung aller Begleitumstände ergeben, dass der Architekt tatsächlich auf das Differenzhonorar verzichten wollte. Das hat das OLG Celle in einem gerade veröffentlichen Fall (Urteil vom 10.06.2015 – 14 U 164/14) angenommen. Hier hatte der Aufraggeber zunächst per E-Mail an den Architekten mitgeteilt, dass er auch angesichts eines höheren, nach der HOAI berechneten Honorars nicht bereit wäre, mehr als das vereinbarte Pauschalhonorar zu zahlen. Der Architekt hat daraufhin (ebenfalls per E-Mail) mitgeteilt: „Für unsere Leistungen sind Sie vor Nachträgen „geschützt“. Bei mir ist darüber hinaus ein Wort auch ein Wort!“. Diese Erklärung hat das Gericht im Zusammenhang so ausgelegt, dass er damit erklärt hat, auf ein über die vereinbarten Pauschalen hinausgehendes Honorar zu verzichten.
Wirksamer Verzicht nur nach Abschluss der Leistungserbringung
Wie erwähnt, kann ein Verzicht jedoch erst dann wirksam erklärt werden, wenn bereits alle Leistungen erbracht sind. Darauf wollte sich der Architekt hier auch berufen, denn er war mit der Leistungsphase 8 – unstreitig – noch nicht fertig, als er die obige Erklärung abgegeben hat. Dabei hat er aber übersehen, dass er stufenweise beauftragt worden war. Das Gericht hat zwischen den einzelnen abgerufenen Stufen als gesonderte Aufträge unterschieden und festgestellt, dass jedenfalls die Aufträge über die Leistungsphasen 1 bis 5 in dem betreffenden Zeitpunkt bereits abgeschlossen waren. Dafür konnte der Verzicht daher wirksam werden; für die Leistungsphase 8 (die 6 und 7 hatte der Architekt nicht erbracht) kann das Differenzhonorar hingegen noch geltend gemacht werden.