05.02.2015 | Gesellschaftsrecht
BGH: Kein Notgeschäftsführer für die GbR
Der für das zweite Senat des Bundesgerichtshofs hat mit Beschluss vom 20. November 2011 (II ZB 4/14) entschieden, dass die Bestellung eines Notgeschäftsführers analog der für den Verein bestehenden Regelung des § 29 BGB grundsätzlich für eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts nicht in Frage kommt.
Der Sachverhalt: streitbedingte Handlungsunfähigkeit der GbR
Vereinfacht dargestellt geht die Entscheidung des Bundesgerichtshofs auf die Rechtsbeschwerde einer Gesellschafterin einer Immobilien-GbR zurück, die bereits vor den Amts- und Oberlandesgerichten Frankfurt am Main mit dem Antrag gescheitert war, nach dem Tod des bis dahin allein geschäftsführungsbefugten Gesellschafters für die GbR analog § 29 BGB einen Not-Geschäftsführer zu bestellen.
Die GbR war noch zu dessen Lebzeiten von einem Familienvater errichtet worden. Sie hatte die Verwaltung mehrerer Immobilien zum Gegenstand. Gesellschafter waren ursprünglich neben dem Verstorbenen dessen vier Kinder und deren Mutter, die Witwe des Verstorbenen. Der Gesellschaftsvertrag sah vor, dass die Geschäfte allein durch den Verstorbenen geführt werden sollten, wobei dieser befugt war, dazu einen Dritten als Vertreter zu bestellen. Der Vater hatte bereits zu seinen Lebzeiten die Geschäftsführung praktisch einer seiner Töchter übertragen. Nach dem Tod des Vaters entbrannte unter den verbliebenen Gesellschaftern Streit über die Vertretungs- und Verfügungsbefugnisse in der GbR. Um der dadurch entstandenen Pattsituation zu entgehen beantragte eine der Töchter beim Amtsgericht Frankfurt am Main die Bestellung eines Notgeschäftsführers für die GbR. Das Amtsgericht wies den Antrag zurück. Auch die Beschwerde gegen den Zurückweisungsbeschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt wurde zurückgewiesen. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgte die Antragstellerin ihren Antrag – letztlich ohne Erfolg – vor dem Bundesgerichtshof weiter.
Grundsatz: Gemeinschaftliche Geschäftsführung
Die streitbedingte Pattsituation in der Gesellschaft hatte entstehen können, da in der GbR gemäß § 709 Abs. 1 BGB der Grundsatz der Gesamtvertretung gilt: die Geschäftsführung steht grundsätzlich allen Gesellschaftern gemeinschaftlich zu und kann auch nur von diesen gemeinsam ausgeübt werden. Die Gesellschafter müssen sich also in allen Belangen immer einig werden, wenn die GbR handlungsfähig bleiben soll. Zwar können die Gesellschafter vereinbaren, dass etwas anderes gelten soll – z.B. wird in der Praxis häufig das Mehrheitsprinzip oder die Übertragung der Geschäftsführungsbefugnis auf einzelne Geschäftsführer vereinbart – das war hier aber nicht geschehen. Die entsprechende Regelung des Gesellschaftsvertrags war mit dem Tod des ursprünglich einzigen geschäftsführungsbefugten Gesellschafters gegenstandslos geworden, so dass die gesetzliche Regelung des § 709 Abs. 1 BGB zum Tragen kam.
Möglicher Ausweg: Bestellung eines Notgeschäftsführers
Einen möglichen Ausweg aus der Pattsituation sah die antragstellende Gesellschafterin in § 29 BGB, der für den Verein die Möglichkeit vorsieht, in dringenden Fällen Notvorstände durch das Gericht bestellen zu lassen, damit der Verein handlungsfähig bleibt. Die Antragstellerin war der Ansicht, dass diese Regelung analog auch auf die GbR anzuwenden wäre.
BGH: Keine analoge Anwendung von § 29 BGB auf die GbR
Dieser Auffassung hat der Bundesgerichtshof jedoch mit seinem Beschluss vom 20. November 2014 eine Absage erteilt. Nach Ansicht des BGH sind die Voraussetzungen einer analogen Anwendung der vereinsrechtlichen Vorschrift auf eine GbR als Personengesellschaft nicht übertragbar, da die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung der Norm fehlen. Die analoge Anwendung einer gesetzlichen Regelung ist dann zulässig, wenn das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke enthält und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht so weit mit einem anderen Tatbestand, den der Gesetzgeber jedoch geregelt hat, vergleichbar ist, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei der Beurteilung des nicht geregelten Sachverhalts zu einem vergleichbaren Ergebnis gekommen wie in dem gesetzlich bereits geregelten Fall (vgl. BGH Beschl. v. 20. November 2014 – II ZB 4/14).
Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs fehlt es bei der GbR für die analoge Anwendung des § 29 BGB aber bereits an der planwidrigen Regelungslücke, das heißt, der Gesetzgeber hat den hier maßgeblichen Sachverhalt nach Ansicht des BGH nicht aus Versehen ungeregelt gelassen. Im Gegensatz zum Verein, der ohne einen ordentlich bestellten Vorstand rechtlich nicht handlungsfähig ist, könne die GbR grundsätzlich handeln, solange sie Gesellschafter hat. Dass diese Gesellschafter einander blockierten, was zu einer faktischen Handlungsunfähigkeit der Gesellschaft führe, sei in dem Institut der Gesamtgeschäftsführungsbefugnis angelegt und begründe daher keine planwidrige Regelungslücke. Auch in dringenden Fällen bedürfe es der Bestellung eines Notgeschäftsführers nicht, da Maßnahmen, die zur Erhaltung der Gesellschaft oder ihres Vermögens erforderlich seien, in dringenden Fällen auch von einzelnen Gesellschaftern allein vorgenommen werden könnten.
Praxishinweis: Vertragliche Regelung treffen
Eine dauerhafte Blockade der Handlungsfähigkeit der GbR kann der Gesellschaft großen Schaden zufügen. Es ist kann daher ratsam sein, bereits bei der Vertragsgestaltung durch entsprechende Regelungen dafür Sorge zu tragen, dass es auch im Streit nicht zu einer Pattsituation und der damit verbundenen vollständigen Lähmung der Gesellschaft kommt.