16.02.2012 | Öffentliches Recht
Langjährige Großbaustellen führen für die betroffenen Geschäfte im Einzugsbereich der Baustellen oft zu erheblichen Umsatzeinbußen und sind mitunter existenzbedrohend. Anlässlich des Planfeststellungsbeschlusses für das Vorhaben „Neubau einer 2. S-Bahnstammstrecke München, Planfeststellungsabschnitt 2“ hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof München mit Urteil vom 17.02.2011 (Az.: 22 A 09.40060) entschieden, dass bei lang andauernden, stationären Großbaustellen auch in den Bereichen vor den betroffenen Ladengeschäften die fachplanungsrechtliche Zumutbarkeitsschwelle mit 65 dB(A) für die Tageszeit (Eingreifwert der AVV-Baulärm) anzusetzen ist. Im Einzelnen hat der VGH München hierzu ausgeführt, dass die Schutzbedürftigkeit von Freiflächen vor Ladengeschäften je nach ihrer Lage und bestimmungsgemäßen Nutzung festgestellt werden muss und mit dem ihr zukommenden Gewicht in die im Rahmen des Planfeststellungsverfahren zu treffende Abwägung einzustellen ist. Dies wurde bei der Planung des hier betroffenen Abschnitts der 2. S-Bahnstammstrecke, Planfeststellungsabschnitt 2, nicht beachtet.
Die tatrichterlichen Feststellungen des VGH München haben für den betroffenen Bereich der Baustelle am Marienhof ergeben, dass es sich hier vorwiegend um Geschäftsbetriebe mit sehr hochwertiger Warenausstattung und entsprechend anspruchsvollem Kundenkreis handelt. Weiter wurde festgestellt, dass ein Großteil der Kunden nicht aus Stammkunden sondern aus Gelegenheitskunden besteht. Entsprechender Baustellenlärm schreckt die in Betracht kommenden Kunden daher nicht erst im Laden ab, sondern bereits auf ihrem potenziellen Weg zum Laden. In der Konsequenz hat der VGH München daher entschieden, dass auch in den Bereichen vor den Ladengeschäften die ansonsten nur im Ladeninneren einzuhaltenden Eingreifwerte der AVV Baulärm maßgeblich sind.
Gegen dieses Urteil hat die Bundesrepublik Deutschland Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesverwaltungsgericht eingelegt. Das Bundesverwaltungsgericht hat nunmehr mit Beschluss vom 21.11.2011 (Az.: 7 B 33.11) die Revision zugelassen. Nach der Einschätzung des Bundesverwaltungsgerichts bedarf es mithin einer grundsätzlichen Klärung der Frage, inwiefern Ladengeschäfte ausnahmsweise auch im Bereich vor dem Laden gegenüber dem von Großbaustellen ausgehenden Baulärm einen Schutzanspruch wie im Ladeninneren geltend machen können. Das insoweit zu erwartende Urteil des Bundesverwaltungsgerichts wird hier für alle von Großbaustellen betroffenen Ladengeschäfte von erheblicher Bedeutung sein.