Änderung der anerkannten Regeln der Technik zwischen Abnahme und Mängelbeseitigung - wer trägt die Mehrkosten?

Dr. Hubert Bauriedl

Dr. Hubert Bauriedl

Das OLG Stuttgart hatte sich in seinem Beschluss vom 13.09.2011 (Az.: 10 W 9/11) u. a. mit zwei für die Bearbeitung von Mängelfällen relevanten Fragestellungen auseinander zu setzen.

Änderung der anerkannten Regeln der Technik zwischen Abnahme und Mängelbeseitigung - wer trägt die Mehrkosten?
Änderung der anerkannten Regeln der Technik zwischen Abnahme und Mängelbeseitigung - wer trägt die Mehrkosten?

30.11.2011 | Bau- und Immobilienrecht

1. Welcher Stand der anerkannten Regeln der Technik gilt bei der Nacherfüllung, entweder derjenigen, der dem ursprünglichen Bauvertrag zugrunde lag oder der zum Zeitpunkt der Vornahme der Mangelbeseitigung?

2. Handelt es sich bei den Zusatzkosten um sog. Sowiesokosten, die der Unternehmer vom Besteller in Höhe seiner Selbstkosten erstattet verlangen kann?


Zu 1. Welcher Stand der anerkannten Regeln der Technik gilt bei der Nacherfüllung, entweder derjenigen, der dem ursprünglichen Bauvertrag zugrunde lag oder der zum Zeitpunkt der Vornahme der Mangelbeseitigung?

Nach dem OLG Stuttgart gelten die zur Zeit der Vornahme der Mangelbeseitigung maßgeblichen anerkannten Regeln, und zwar mit folgender Begründung: Das Werk müsse grundsätzlich den zur Zeit der Abnahme geltenden anerkannten Regeln der Technik entsprechen. Ändern sich nach Abnahme die technischen Regeln, hat dies für den Unternehmer keine nachteiligen Folgen; bei Abnahme war seine Leistung vertragsgemäß hergestellt. Etwas anderes gelte ausnahmsweise, wenn die Leistung des Unternehmers bei Abnahme mangelhaft war und er deswegen nach Abnahme gewährleistungspflichtig ist. Dann beruhten auch die Zusatzkosten, die durch höhere Anforderungen an die Bauausführung aufgrund einer Fortentwicklung der allgemein anerkannten Regeln der Technik oder der gesetzlichen Vorgaben nach Abnahme entstehen, auf dieser Vertragsverletzung des Unternehmers. Er habe daher die Mehrkosten gemäß § 635 Abs. 2 BGB zu tragen. Daneben komme sogar ein Schadensersatzanspruch des Auftraggebers aus §§ 634 Abs. 4, 280, 281 BGB gegen den Unternehmer in Höhe eventueller Zusatzkosten wegen höherer gesetzlicher Anforderungen oder wegen der Weiterentwicklung des Stands der Technik in Betracht, wenn der Unternehmer den zu beseitigenden Mangel schuldhaft verursacht hat oder er schuldhaft seiner Nachbesserungspflicht nicht rechtzeitig nachgekommen ist und dadurch die Zusatzkosten entstanden seien.


Zu 2. Handelt es sich bei den Zusatzkosten um sog. Sowiesokosten, die der Unternehmer vom Besteller in Höhe seiner Selbstkosten erstattet verlangen kann?

Nach Ansicht des OLG Stuttgart nein, denn diese Mehrkosten wären bei von Anfang an ordnungsgemäßer Ausführung gemäß den damaligen Vorschriften nicht angefallen. Damit wäre die Leistung des Unternehmers auch bei vertragsgemäßer Ausführung nicht von vornherein um die sog. Sowiesokosten teurer geworden. Nur wenn der Bauherr durch die Verwendung aufwendigeren Materials einen zusätzlichen, vertraglich nicht geschuldeten Vorteil erlangen würde, der zum Beispiel durch eine deutlich verlängerte Nutzungsdauer entstehen könnte, wäre über einen entsprechende Vorteilsausgleich nachzudenken, der dem Unternehmer - ähnlich wie Sowiesokosten - vom Bauherrn zu erstatten ist.

Nach der Rechtsprechung des BGH ist die Ausgleichung eines solchen Vorteils, der durch eine deutlich verlängerte Nutzungsdauer entsteht, jedoch nur in Betracht zu ziehen, wenn der Mangel sich verhältnismäßig spät auswirkt und der Besteller bis dahin keine Gebrauchsnachteile hinnehmen musste.

Letzteres dürfte bei gravierenden Mängeln jedoch nur sehr selten der Fall sein.