02.11.2011 | Vergaberecht
Die Vergabekammer (VK) Thüringen hat zu der umstrittenen Frage Stellung genommen, ob § 19 EG Abs. 2 VOL/A, wonach Erklärungen und Nachweise nachgefordert werden können, auf fehlende Angebotsunterschriften anwendbar sei.
Ein Landkreis schrieb das Einsammeln, Befördern und Verwerten von Altpapier und Verpackungen im offenen Verfahren nach den Bestimmungen der VOL/A europaweit aus. Die erste Seite der Vergabeunterlagen (nachfolgend „Angebotsschreiben 1“ genannt), die dem Formblatt Angebotsschreiben vorangestellt und mit der Überschrift „Angebot“ versehen war, sollte von den Bietern in einem Unterschriftenfeld gestempelt, datiert und rechtsverbindlich unterschrieben werden. Im Unterschriftenfeld war zudem eine fettgedruckte Fußnote ergänzt: "*)Wird das Angebot an dieser Stelle nicht unterschrieben, gilt das Angebot als nicht abgegeben.“ Die Antragstellerin sowie die Beigeladene gaben Angebote ab. In den Angebotsunterlagen der Beigeladenen fehlte jedoch das unterschriebene Angebotsschreiben 1. Der Landkreis informiert die Bieter, dass der Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen erteilt werden soll. Die Antragstellerin rügt einen Verstoß gegen § 19 EG Abs. 3b VOL/A nachdem sie erfahren hat, dass eine Unterschrift unter dem Angebot der Beigeladenen nachgeholt worden sei. Der Nachprüfungsantrag hat Erfolg. Die Vergabekammer Thüringen stellt mit Beschluss vom 05.09.2011 (Az.: 250-4003.20-3317/11E-005-HBN) fest, dass die Nachforderung des Angebotsschreibens 1 durch die Vergabestelle unzulässig war. Das fehlende Angebotsschreiben sei keine Erklärung im Sinne des § 16 EG Abs. 3 VOL/A, so dass § 19 EG Abs. 2 Satz 1 VOL/A insoweit unanwendbar sei. Dabei sei es unerheblich, ob das Angebotsschreiben selbst oder nur die Unterschrift auf diesem fehlten. Ausschlussgrund gemäß § 19 EG Abs. 3b VOL/A ist nach dem Wortlaut die fehlende Unterschrift unter dem Angebot. Dieser Fall trifft umso mehr zu, wenn das zu unterschreibende Angebotsschreiben bereits körperlich dem Angebot nicht beiliegt. Würde man insoweit differenzieren, wäre § 19 EG Abs. 3b VOL/A überflüssig und würde ins Leere gehen. § 19 EG Abs. 3 VOL/A enthält eindeutig definierte Ausschlussgründe, bei denen keine Ermessensausübung vorgesehen sei. Folglich war das Angebot der Beigeladenen wegen dem Fehlen des Angebotsschreibens 1 und somit auch dem Fehlen der auf diesem zu leistenden Unterschrift gemäß § 19 EG Abs. 3b VOL/A zwingend auszuschließen.